EURIPIDES - IPHIGENIE IN
AULIS
Übersetzung von Friedrich Schiller
Auszug* aus dem dritten Akt ([Sklave], Klytämnestra, Achilles, Chor)
[...]
Achilles. Ich bin entrüstet über Agamemnon,
Und nicht so leicht werd' ich es hingehn lassen.
Klytämnestra (fällt ihm zu Füßen).
Und ich erröthe nicht, mich vor dir nieder
Zu werfen, ich, die Sterbliche, vor dir,
Den eine Himmlische gebar. Weg, eitler Stolz!
Kann sich die Mutter für ihr Kind entehren?
O, Sohn der Göttin! hab' Erbarmen mit
Der Mutter, mit der Unglückseligen Erbarmen,
Die deiner Gattin Namen schon getragen!
Mit Unrecht trug sie ihn. Doch hab' ich sie
Als deine Braut hieher geführt, dir hab' ich
Mit Blumen sie geschmücket – Ach, ein Opfer
Hab' ich geschmückt, ein Opfer hergeführt!
O, das wär' schändlich, wenn du sie verließest.
War sie durch Hymens Bande gleich die Deine
Noch nicht –du wardst als der geliebteste
Gemahl der Unglücksel'gen schon gepriesen.
Bei dieser Wange, dieser Rechte, bei
Dem Leben deiner Mutter sei beschworen.
Verlaß uns nicht! Dein Name ist's, der uns
Ins Elend stürzt – drum rette du uns wieder!
Dein Knie, o Sohn der Göttin! ist der einz'ge
Altar, zu dem ich Aermste fliehen kann.
Hier lächelt mir kein Freund. Du hast gehört,
Was Agamemnon Gräßliches beschlossen!
Da steh' ich unter rohem Volk – ein Weib,
Und unter wilden, meisterlosen Banden,
Zu jedem Bubenstück bereit – auch brav,
Gewiß, recht brav und werth, sobald sie mögen!
Versichre du uns deines Schutzes, und
Gerettet sind wir – Ohne dich verloren.
Chor. Gewaltsam ist der Zwang des Bluts! Mit Qual
Gebiert das Weib und quält sich fürs Geborne!
[...]
*Agamemmnon lockt unter dem Druck seines Bruders Menelaos und des ungeduldig
wartenden Heeres seine Frau Klytämnestra mit Tochter Iphigenie zu sich nach
Aulis, unter dem Vorwand, sie mit Achilles zu vermählen. Der Seher Kalchas hat
Iphigenies Opferung als einzige Möglichkeit prophezeit, die Windflaute, die die
Schiffe am Kriegszug gegen Troja hindert, zu beenden. Achilles ahnt nichts von
der List.
In dieser Szene nun erfahren Klytämnestra und Achill durch einem Sklaven von
der List.
zurück zum Anfang